Religiös begründete Herausforderungen und islambezogene Konflikte in der Schule
Perspektiven von Lehrkräften und Schulsozialarbeiter:innen
Schlagwörter:
Radikalisierung, Islamismus, religiöse Konflikte, qualitative Forschung, Schule, LehrkräfteAbstract
Schule ist neben der Familie die zentrale Sozialisationsinstanz für Kinder und Jugendliche, die von allen Personen eines Jahrgangs gemeinsam verpflichtend besucht werden muss. Über die leistungsorientierten Qualifikations- und Allokationselemente hinaus spielt sie mit der sozialen Integrationsfunktion eine wichtige Rolle bei der Stärkung sozialer Bindungen und sozialer Identitätsbildung (Fend 2008). Schule stellt dabei auch einen wichtigen Ort des Demokratielernens und der politischen Bildung dar (Kolb, Stein und Zimmer 2023) und soll zur Festigung einer demokratischen Grundposition beitragen (Kultusministerkonferenz 2018). Gleichzeitig sehen sich Lehrkräfte zunehmend mit komplexen Herausforderungen konfrontiert, wie dem Umgang mit (vermeintlichen oder tatsächlichen) kulturellen oder religiösen Konflikten sowie auch mit dem Erkennen und der Prävention (mutmaßlicher) Radikalisierungstendenzen, wie etwa eine quantitative deutschlandweite Befragung (Kart et al. 2025) sowie eine quantitative Befragung an allen Kölner Schulen aufzeigten (Bösing et al. 2023a; von Lautz et al. 2022). An die schulischen Fachkräfte werden dabei Präventionsanforderungen gestellt, die sie allein kaum bewältigen können, weshalb Kooperationen mit weiteren primärpräventiven Akteur:innen erforderlich sind (von Lautz et al. 2023b; Bösing et al. 2023b; Bösing et al. 2025; Stein und Zimmer 2024).
Bisher fehlt es an vertiefenden wissenschaftlichen Erkenntnissen darüber, inwiefern Lehrkräfte und andere pädagogische Fachkräfte religiöse Konflikte und Herausforderungen sowie religiös begründete Radikalisierung an ihren Schulen wahrnehmen, wie die benannten Konflikte und Herausforderungen etwa bezüglich der Intensität und der Beteiligten genau zu charakterisieren sind, welche Ursächlichkeiten vermutet werden und welche Aus-, Fort- und Weiterbildungsbedarfe die Lehrkräfte und andere pädagogische Fachkräfte in diesen Kontexten identifizieren, um die Konflikte konstruktiv beilegen oder lösen zu können.
Anknüpfend an dieses Desiderat geht der Beitrag der Frage nach, wie Lehrkräfte bzw. allgemein pädagogische Fachkräfte an Schulen islambezogene Konflikte bzw. (vermeintlich) religiös begründete Radikalisierung bei Schüler:innen wahrnehmen und welche Bedarfe an Beratung, Aus-, Fort- und Weiterbildungen sie für ihre Praxis identifizieren. Dafür wurden insgesamt 30 pädagogische Mitarbeitende an Schulen, davon 23 Lehrkräfte und sieben Schulsozialarbeiter:innen vertiefend in qualitativen Interviews befragt. Die Auswertung erfolgte durch die inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse nach Mayring (2015).
Die Ergebnisse der qualitativen Studie zeigen, dass Lehrkräfte im Schulalltag insbesondere diskriminierende und abwertende Äußerungen mit religiösem Bezug als Herausforderung sehen. Als Lösungsstrategien setzen die Befragten auf Begegnung und Auseinandersetzung auf inhaltlicher Ebene, während pädagogische beziehungsorientierte Ansätze häufig vernachlässigt werden – hierfür werden häufig mangelnde zeitliche Ressourcen und mangelnde Unterstützung verantwortlich gemacht, die in fast allen Fällen moniert werden. Zudem wird von den Befragten ein hoher Bedarf an Beratung und Aus-, Fort- und Weiterbildung identifiziert. Die Studie liefert damit wichtige Erkenntnisse, inwiefern sich die Radikalisierungsprävention im Bereich Schule sowie die Lehrkräfte(aus)bildung weiterentwickeln kann.
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