Welche Bürger:innen erträgt das Land?

Entzug der Staatsbürgerschaft bei extremistischen und/oder radikalisierten Straftäter:innen am Beispiel der Schweiz

Autor/innen

  • Simon Schädler
  • Mira Schwarz

Schlagwörter:

Entzug der Staatsbürgerschaft, Radikalisierung, Entzug der Bürgerrechte, Menschenrechte

Abstract

Der vorliegende Beitrag widmet sich der Fragestellung, ob und in welcher Ausgestaltung der Entzug der Staatsbürgerschaft aus juristischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive als staatliches Instrument zur Radikalisierungsprävention Anwendung finden soll. Durch die Verschränkung der beiden Professionen resultiert eine interdisziplinäre und damit umfassende Herangehensweise an die Thematik. So steht nicht nur die juristische Zulässigkeit des Bürgerrechtsentzugs zur Diskussion, sondern insbesondere dessen Analyse im Kontext der präventionspraktischen Grundsätze. Ein Fallbeispiel aus der Schweiz bildet die Ausgangslage, begleitet die wissenschaftliche Auseinandersetzung und verdeutlicht den Praxisbezug. Der vorliegende Beitrag charakterisiert den Bürgerrechtsentzug in einem ersten Schritt aus juristischer Warte kritisch und kommt zum Schluss, dass er unter engen Voraussetzungen Anwendung finden kann. Dass er dabei in einem steten Spannungsfeld zu grund- und menschenrechtlichen Garantien sowie völkerrechtlicher Normsysteme steht, wird aufgezeigt und anhand konkreter Beispiele beleuchtet. Dabei sind insbesondere Fragen des Grund- und Menschenrechtsschutzes, der Verhältnismäßigkeit sowie der Zwecktauglichkeit von Ausbürgerungen von Bedeutung. Aus der Perspektive der Sozialwissenschaften liegt ein gewichtiger Fokus auf der Tertiärprävention. Dabei wird deutlich erkennbar, dass der Bürgerrechtsentzug keine geeignete Maßnahme der Präventionsarbeit ist. Einerseits ist er nicht mit präventionsspezifischen Grundsätzen vereinbar. Andererseits verfehlt er die Ziele der Präventionsarbeit – namentlich die Auseinandersetzung und Distanzierung von der Ideologie sowie den Aufbau alternativer Lebensinhalte. Eine Gemeinsamkeit der juristischen als auch der sozialwissenschaftlichen Betrachtung ist die Ungleichbehandlung der involvierten Betroffenen und die daraus resultierende (erlebte) Diskriminierung. Da ein Bürgerrechtsentzug lediglich auf eine kleine Zielgruppe Anwendung finden kann, führt er zu einer Stigmatisierung mit der Konsequenz, dass das fehlende Zugehörigkeitsgefühl zur Mehrheitsgesellschaft bestärkt und der Radikalisierungsverlauf begünstigt werden kann.

Anhand des Fallbeispiels bietet der Beitrag als Alternative zum Bürgerrechtsentzug umfassende individuell ausgerichtete und frühzeitige Maßnahmen der Präventionsarbeit. Dabei sind diejenigen Staaten angehalten, Verantwortung zu übernehmen und effiziente Angebote zu kreieren und umzusetzen, in denen die Personen sich vor ihrer Radikalisierung aufhielten. Entzieht ein Staat einem:r Täter:in als Reaktion auf seine:ihre Straftat das Bürgerrecht, verdrängt er seine eigene Pflichtverletzung, anstatt Alternativen zu bieten und vernachlässigt seine Verantwortung innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft.

Veröffentlicht

21.05.2025

Ausgabe

Rubrik

Artikel

Zitationsvorschlag

Welche Bürger:innen erträgt das Land? Entzug der Staatsbürgerschaft bei extremistischen und/oder radikalisierten Straftäter:innen am Beispiel der Schweiz. (2025). Zeitschrift für Praxisorientierte (De-)Radikalisierungsforschung, 4(1), 4-35. https://zepra-journal.de/index.php/zepra/article/view/39