Resonanz als Konzept der Präventionsarbeit
Schlagwörter:
Hartmus Rosa, Resonanzkonzept, ExtremismuspräventionAbstract
Seit Hartmut Rosa haben sich Frank Buchheit (2019) sowie Maximilian Ruf und Dennis Walkenhorst (2023) mit der Verwendung des Resonanzkonzeptes in der Extremismusprävention beschäftigt. Die Ansätze der Autoren sind zu begrüßen, bleiben aber an der Oberfläche des Potentials der Nutzung des Konzepts.
Beispielsweise nimmt Buchheit an, dass Hass grundsätzlich nicht resonanzfähig sei (2019, 210). Wir würden dem widersprechen: Wenn die Welt als abstoßend empfunden wird und sie deshalb abgelehnt wird, kann dies eine Art von Resonanz und Verbindung zur Welt darstellen, selbst wenn dies auf destruktive Weise geschieht. Gerade Gewalt und Schmerz vermögen es, die Beziehung zur Welt wieder herzustellen. Resonanzbeziehungen sind also nicht auf positive Erfahrungen beschränkt. Dies muss in der Beratung berücksichtigt werden.
Um Resonanz als Konzept für die Präventionspraxis selbst nutzbar zu machen, halten wir es für fruchtbar, es im Kontext von Autoritarismus zu betrachten. Wenn Menschen den Bezug zu sich und ihrer Umgebung verlieren, ihre Resonanzachsen nur unzureichend ausgeprägt sind, um ihnen ein gefühlt gutes Leben zu ermöglichen, scheint der Hang zu Autoritarismus eine probate Antwort. Denn im autoritären Verhältnis verschmilzt das „Ich“ mit der Autorität, es ist also nicht mehr notwendig, zu sich und den eigenen Bedürfnissen in Kontakt zu sein, in Resonanz zu stehen. Die eigenen Bedürfnisse werden kurzerhand auf die Autorität projiziert, die Verantwortung für sie abgegeben (Milbradt 2018, 33). Hier wieder Zugang zu gesellschaftlich akzeptierten Umgangsweisen mit den eigenen Bedürfnissen zu finden, scheint uns die Kernaufgabe von Beratung zu sein – nicht Diagnostik und nicht Einschätzung für Dritte.
Berater*innen in der Tertiärprävention analysieren die Resonanzräume und -achsen ihrer Klient*innen als Einflussfaktoren, wobei einige als Ressourcen und andere als Risiken betrachtet werden. Walkenhorst und Ruf argumentieren an sich folgerichtig, dass bisherige Modelle die Bewertung dieser Faktoren aus Sicht der Klient*innen nur unzureichend erfassen (Walkenhorst und Ruf 2023, 65). Aus dem diagnostischen Blick gerate, wie das Individuum die Qualität dieser Faktoren einschätzen würde. Schon für Rosa ist Resonanz ein normatives Konzept als Maßstab des gelingenden Lebens. Mit seiner Hilfe und einem „Leuchtende-Augen-Index“ müsste man die Qualität eines Lebens beschreiben können (Rosa 2023, 751). Statt jedoch vor allem die Diagnostik zu verbessern, würden wir den Blick auf die Resonanzbeziehung zwischen Berater*in und Klient*in selbst lenken wollen.
Auf Grundlage dieser Überlegungen haben wir ein Wirkmodell für die Beratung in der tertiären Extremismusprävention erarbeitet. Dieses ist noch als Denkbewegung gedacht, die für ein breites Publikum sichtbar gemacht werden soll, unvollkommen und mit einer Einladung zur Diskussion versehen.
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